Projekt 2020
Das Projekt WILDER SHORES, (Wildere Ufer) verdankt seinen Titel einem Gemälde des amerikanischen Malers Cy Twombly mit dem Titel „The wilder shores of love“. Auf das Projekt übertragen setzen wir uns mit den „wilderen Ufern“ von Zeit, Raum und Energie, also von Tanz und Choreographie auseinander.
Am Werk von Cy Twombly interessieren mich vor allem zwei Aspekte: zum einen seine ganz eigene Art, mit Energie auf der Leinwand umzugehen, und zum anderen die Idee, unsere schöpferische Kraft aus der Vergangenheit zu nehmen, um sie in einer aktuellen und zeitgenössischen Form wiederherzustellen. Für Cy Twombly ist diese Vergangenheit die der Literatur und der Malerei, insbesondere der Antike und der klassischen Zeit. Im Projekt WILDER SHORES werden einige Figuren des klassischen Balletts sowie gewisse grundlegende choreografische Prinzipien von Merce Cunningham wieder aufgegriffen und aktualisiert. Aber in unserem Fall ändern wir Form und Inhalt dieses Stücks radikal, indem wir mit „instant composition“ Methoden arbeiten, ein Arbeitsmethode, mit der ich seit langem experimentiere. Auf diese Weise wird WILDER SHORES zu einem zeitgenössischen, aktuellen Stück, das sich mit unserer Zeit auseinandersetzt.
In diesem Sinne ähnelt das Projekt WILDER SHORES der Idee eines Gesprächs. Das Stück ist im Dialog mit dem Werk verschiedener Künstler und Denker entstanden, (darunter Cy Twombly), und greift auf die Vergangenheit zurück, um die Gegenwart zu gestalten. Thema des Stückes, – insoweit man von einem Thema außerhalb der choreografischen Frage sprechen kann – ist dieses imaginäre Gespräch zwischen lebenden und toten Künstlern und Forschern, in Resonanz mit der Welt und aktuellen künstlerischen Fragen.
KÜNSTLERISCHE LEITUNG, KONZEPT: MICHELE MURRAY
KÜNSTLERISCHE MITARBEIT: MAYA BROSCH
CHOREOGRAFIE, TANZ: ALEXANDRE BACHELARD, VIVIEN KOVARBASIC,MARIE LECA, BAPTISTE MENARD, MANUEL MOLINO, LEA VINETTE, (für die Premiere mit REBECCA JOURNO, FELIX MAURIN, DEBORAH PAIRETTI)
MUSIK: GEROME NOX
LICHT: CATHERINE NODEN
PARTNER
PRODUKTION: ASSOCIATION STELLA
KOPRODUKTION: FESTIVAL MONTPELLIER DANSE 2020 / LA PLACE DE LA DANSE – CENTRE DE DÉVELOPPEMENT CHORÉGRAPHIQUE NATIONAL DE TOULOUSE OCCITANIE / CENTRE CHORÉGRAPHIQUE NATIONAL DE TOURS – DIRECTION THOMAS LEBRUN / ICI – CENTRE CHORÉGRAPHIQUE NATIONAL DE MONTPELLIER OCCITANIE – DIRECTION CHRISTIAN RIZZO / LA MAISON – CENTRE DE DÉVELOPPEMENT CHORÉGRAPHIQUE UZES GARD OCCITANIE / EMMETROP ANTREPEAUX BOURGES / POLE DE DEVELOPPEMENT CHOREGRAPHIQUE MONTPELLIER MOSSON – DIRECTION DIDIER THERON / MIT DER UNTERSTÜTZUNG VON FONDOC
ARBEITSRESIDENZEN: LA PLACE DE LA DANSE – CENTRE DE DÉVELOPPEMENT CHORÉGRAPHIQUE NATIONAL DE TOULOUSE OCCITANIE / CENTRE CHORÉGRAPHIQUE NATIONAL DE TOURS – DIRECTION THOMAS LEBRUN / MONTPELLIER DANSE – AGORA, CITE INTERNATIONALE DE LA DANSE / ICI – CENTRE CHORÉGRAPHIQUE NATIONAL DE MONTPELLIER OCCITANIE – DIRECTION CHRISTIAN RIZZO / POLE DE DÉVELOPPEMENT CHORÉGRAPHIQUE MONTPELLIER MOSSON – ESPACE BERNARD GLANIDER – DIRECTION DIDIER THERON / EMMETROP BOURGES / ZENTRUM ZEITGENÖSSISCHER TANZ, HOCHSCHULE FÜR MUSIK UND TANZ KÖLN / THÉÂTRE LA CIGALIÈRE SERIGNAN
ÖFFENTLICHE PARTNER: MINISTÈRE DE LA CULTURE – DIRECTION RÉGIONALE DES AFFAIRES CULTURELLES OCCITANIE PYRENEES – MÉDITERRANÉE / LA RÉGION OCCITANIE PYRENEES – MÉDITERRANÉE / LA VILLE DE MONTPELLIER
© Laurent Pailler / © Alain SCHERER
PRESSE WILDER SHORES
Danser Canal Historique / Thomas Hahn / 25 September 2020
Montpellier Danse 40bis : “ WILDER SHORES “ von Michèle MurrayVon Merce Cunningham bis Cy Twombly, unberechenbare Wege für sieben Tänzerinnen und Tänzer zwischen Lust und Disziplin.
Bei Michèle Murray, die in New York, insbesondere bei Merce Cunningham, ausgebildet wurde, findet die Suche nach dem großen Merce ein begeistertes Echo. Und dies gilt insbesondere für Wilder Shores, wo sich sieben TänzerInnen in einem völlig offenen, freien und nicht-hierarchischen Raum bewegen, der weder Zentrum noch Peripherie kennt. Ein Punkt in diesem Raum ist ein Punkt, punkt. Der Performer kann sich also bewegen, wo immer er will. Zumindest scheint es so.Wildere Ufer? Versuchen wir nicht, diesen Titel zu verstehen. Er ist nämlich eine Utopie, ein glühendes Verlangen, ein Fantasieren, der in einem Gemälde von Cy Twombly eingeschrieben ist – Wilder shores of love-, dem wir uns besser durch Emotionen als durch eine forensische Analyse nähern.
Michèle Murray’s Wilder Shores drückt ebenso sehr die Kluft zwischen dem Wunsch nach Freiheit und der Welt aus, gegen die man sich erheben muss, um seinen wilden Anteil erfolgreich zurück zu gewinnen. Die siebe TänzerInnen liefern keinen Beweis dafür, dass sie eine solche Befreiung erreicht haben, und so bleibt dieses Stück so rätselhaft wie Twomblys Gemälde.Murrays neue Kreation dient in erster Linie dem Tanz, nicht der Rede, und das ist natürlich eine weise Entscheidung. Es ist besser, Zeuge eines zu erreichenden Ufer zu sein, als sich dort auszutoben. In dieser Logik zeichnet sich Wilder Shores durch absolute Strenge, unerbittliche Präzision und unfehlbare Disziplin aus. Und doch eröffnet die Präzision in Schrift und Ausführung Räume der Freiheit und vielleicht sogar ein paar Möglichkeiten für das Unerwartete. Das Prinzip des ’randoms‘, des Zufalls also, hatte seine Bedeutung für Merce. In Wilder Shores begegnen wir dem, was die Choreografin „instant Composition“ nennt, wo alles im Moment erfunden zu sein scheint. Doch für den Zuschauer ist nichts sicher. Wenn zwei Tänzerinnen zusammenstoßen, ist das ein Unfall oder ein choreografiertes Ereignis? Wahrscheinlich eine vorhergesehene Möglichkeit, ohne dass diese zur Verpflichtung wird.
Einige Künstler choreographierten alltägliche Gesten. Cunningham erfand hingegen die unwahrscheinlichsten Bewegungen, bis hin zur Absurdität. Sein Vokabular ist sowohl ein Werkzeugkasten als auch eine Einladung, immer tiefer in unbekannten Vorgehensweisen zu graben. Für Murray, der es hier Spaß macht, diesen Werkzeugkasten aufzurühren, inspiriert er eine Fülle von Laufarten: ruckartig, gleitend, mit gebeugten Knien, an die Oberschenkel geklebte Hände für leichteres Drehen.
Alles beginnt mit dem ersten Tänzer, der in blauen Socken und mit ausgestreckten Füßen eintritt, um zu zeigen, dass das Universum des großen Befreiers immer noch seine Wurzeln im klassischen Tanz hat! Aber von da an kann alles umgewandelt und erfunden werden. Bei ihren scheinbar zufälligen Überquerungen der Bühne beobachten sich die Individuen und treffen aufeinander, von Angesicht zu Angesicht oder parallel. Sie stimmen sich aufeinander ein, die Zeit, um diese gemeinsame Energie aufzuladen und sich erneut auf den Weg zu neuen menschlichen Abenteuern zu machen. Und es funktioniert! Nach einem ersten Teil, in dem sich der Wunsch, den anderen zu berühren, nicht erfüllt, nach einer langen Pause, in der der Komponist Gerome Nox allein über den klanglichen und choreografischen Raum herrscht, taucht ein Paar auf und beginnt eine Recherche über Möglichkeiten der Unterstützung, die der andere bietet, Unterstützung durch seine Schenkel, seine Büste, seinen Rücken, wie in einem Versprechen von Liebesufern. Die Frau kann hier den Mann tragen, und sich natürlich auch von ihm tragen lassen. Auch hier lösen sich die Modalitäten von jeglicher Tradition. Am Ende des Stückes finden alle TänzerInnen wieder zusammen wie in einem Tanzkurs, als wollten sie sich auf neue Abenteuer vorbereiten, erneut, an Ufern, von denen sie hoffen, dass sie wilder sein werden…
OFFSHORE / Jean Paul GUARINO / 24. SEPTEMBER 2020
Wir waren dabei, und Sie? Montpellier Danse 40 Bis / September 2020Nach einer „Neu-Kreation“, dann einer Wiederaufnahme, ist es an der Zeit für eine aktuelle Kreation des Jahres 2020, die am Mittwochabend im Studio Cunningham in der Agora Premiere feierte, und zwar „WILDER SHORES“, die neueste Choreografie von Michèle Murray. Wir werden nicht über den Maler Cy Twombly sprechen, den Michèle Murray im Programmheft zitiert, um uns über ihren künstlerischen Ansatz zu informieren. Der Titel des Stückes, Hinweis auf die Arbeitsweise der Künstlerin, ist wahrscheinlich vor allem gewählt worden, um ihr Energie zu verschaffen, ihre Choreografie zu beflügeln, und noch weiter ihren anspruchsvollen Weg zu gehen. Und es funktioniert!
Und zwar gleich von Anfang an, sobald der erste Tänzer allein die Bühne betritt, ein zweiter hinzukommt, dann ein dritter, bis sieben TänzerInnen auf der Bühne kreisen und wirbeln! Sieben freie Elektronen, es sei denn, sie sind verloren, beleuchtet mit der Radikalität des eines kalten weißen Lichtes aus Weiß, Grün und Blau, eingehüllt in einem tiefen tellurischen Sound, der so stark ist, dass man weder ihren Atem noch die Landung ihrer zahlreichen Sprünge hören kann. Auch hier gilt wieder: alles für die Silhouetten, alles für die Körper, alles für den Tanz. Während in diesem „ersten Teil“ die Energie und das Charisma des kleinen Jimmy Somerville – eigentlich Baptiste Menard – auffällt, offenbart sich im darauffolgenden Teil ein großartiges Tänzerduo – Marie Leca und Alexandre Bachelard – umhüllt von einem lila Licht, in einer Atmosphäre à la Dan Flavin. Ein Farbton, den die Amerikaner lieben. Dieses Violett verwandelt sich dann in ein rohes Blau, das die Körper ein wenig mehr entblößt und die Schweißperlen blinzeln lässt. Die ganze Choreografie sagt uns, dass dies kein Duett ist, dass dies auch kein Paar ist; es zeigt uns vielmehr wie 1 plus 1 eigentlich 1 macht. Weil er es war, weil sie es war. Es ist wunderschön. Danach eine kurze Rückkehr in die Realität, um uns zu beruhigen oder zu trösten, um uns zu sagen, dass andere Begegnungen, alle Begegnungen, möglich sind. Es ist gut, wenn es gut endet.
L’OEIL D’OLIVIER / Olivier Frégaville-Gratian d’Amore / 23. SEPTEMBER 2020
In ihrem jüngsten Stück war die in Montpellier lebende Michèle Murray dem Tanz von Dominique Bagouet noch nie so nahe wie heute. Das Tanzstück „Wilder Shores“ wird im Rahmen vom Festival Montpellier Danse am Tag nach der Wiederaufführung von „So Schnell“ gezeigt und hat alles, was einen entfernten Cousin ausmacht. Eindringliche Ähnlichkeit! Eine einfache Mauer aus gelben Steinen trennt die „Cunningham- Bühne“ vom „Agora-Theater“. Während die Choreografin Catherine Legrand am Tag zuvor der choreografischen Schrift von Dominique Bagouet neues Leben eingehaucht hat, erforscht Michèle Murray auf ihre Weise die choreografischen Wege zwischen Abstraktion und dem Bedürfnis, ihren Tanz und ihre Gesten in einer konkreteren Erzählung zu verankern. Inspiriert von „The wilder shores of love“, einem Bildwerk des amerikanischen Malers Cy Twombly, zeichnet die in Montpellier lebende Künstlerin ihren Weg nach, indem sie die Zeit dehnt, verschobene unübliche Bewegungen und iterative Gesten multipliziert, getragen von der Musik von Gerome Nox.
Eine ganz eigene Handschrift. In schwarzen Kostümen gekleidet, die mit dem weißen, makellosen Boden kontrastieren, dringen die sieben Tänzer in den Raum ein. Sie kommen einer nach dem anderen herein, verschwinden manchmal wieder, kommen heimgesucht zurück und stehen nicht still. Solo, Duett, jeder folgt seiner eigenen Partitur. Die Körper messen sich gegenseitig, suchen sich gegenseitig und ignorieren sich gegenseitig. Die choreografische Handschrift von Michèle Murray ist nicht linear. Sie setzt sich aus einer Vielzahl von Wörtern zusammen, die durch eine strenge Grammatik miteinander verbunden sind. Ausgebildet in der Arbeit von Merce-Cunningham, mag sie Bewegung um der Bewegung willen. Eine Bewegung folgt der anderen, manchmal überrollen sich die Bewegungen. Ihre choreografische Prosa ist, obwohl formal, üppig lebendig.
Lichtspiele. Ähnlich wie Begoña Garcia Navas im Stück „So Schnell“ beleuchtet die in Montpellier lebende Choreografin, unter Mitwirkung von Catherine Noden, den leeren Raum mit hellem Licht, sowie die Körper ihrer Tänzer, die Energie, die sie entfalten, um den Raum zu bewohnen und diesen imaginären Ufern an der Grenze zwischen Traum und Wirklichkeit Leben einzuhauchen. Mit „Wilder Shores“ hat Michèle Murray ein komplexeres Werk geschaffen, als man ahnt. Nach dieser Premiere fehlt nur noch der Schliff, die Übung, um uns völlig mitzunehmen und zu verführen. Ein Stück im Werden!TOUTE LA CULTURE / Antoine COUDER / 17. Juli 2021 / Festival Uzès Danse
Wildere ufer (der Liebe)
Das Publikum hat sich nicht geirrt, das Tanzstück „WILDER SHORES“, (wildere Ufer) könnte ein Tanzklassiker sein, nämlich in seiner Art, den Raum streng zu verarbeiten, „strikte Anweisungen sowie ein spezielles Vokabular“ zu erfinden. Diese choreografische Herangehensweise durchdringt und bereichert die gesamte Schaffensphase und ermöglicht eine Lebendigkeit die sich in über die Zeit aufrechterhält. Es ist für das Stück eine notwendige Anforderung, die die Tänzerinnen und Tänzer in der Fremdsprache der entstehenden Choreografie unterrichtet, ein grundlegendes Register, von dem aus sie ihre tänzerische Konversation beginnen und sich zueinander in Beziehung setzen werden. Letztendlich wird sich die Essenz dieses Stücks jedes Mal weiterentwickeln, von der kleinsten bis zur größten improvisierten Bewegung. Die Choreografin verlangt und achtet auf eine Vorstellung, die durch das Sieb ihrer kreativen Anforderungen gesiebt wurde: wie zum Beispiel die ferne Erinnerung an ein Gemälde von Cy Twombly, das man hier betrachten sollte, um das Maß dieser Romantik der Formgrenzen zu erfassen, die wir hier fast augenblicklich wahrnehmen.
Metall-Maschinenbox
In diesem dreiteiligen Stück wird ein Tanz-Sextett in eine brutale und ununterbrochene musikalische Deflagration geworfen, einen hochtönigen Musik-Vortex, der kaum überrascht, so schnell versinken wir mit den Tänzern hinein, unter der Live Kontrolle des Komponisten und Musikers Gerome Nox. Der Musiker scheint Lou Reeds „Metal machine Box“ zu einem ungestümen Sturm geknetet zu haben, dessen Atem langsam den Raum zerreißt, den Raum jene wilderen Ufer, um die es in diesem Stück geht. In diesem Getöse aus Lärm und Wut werden die Tänzerinnen und Tänzer von einer übermächtigen Kraft geleitet, gegen die sie mit dem Rücken zur Wand kämpfen. Eine Spannung zwischen Anforderung und Bewegung entsteht, die ihre Ausdruckskraft entfacht, gefangen in einem Versuch der Aufführung, „einer Instant- Composition, die von einem Raster strenger Regeln bestimmt wird“ (M. Murray).
Nahaufnahme
Der Tanz wimmelt von diesen tanzenden Ameisen, die so sehr mit dem Überleben beschäftigt sind, dass sie die eigentlichen Modalitäten ihrer Existenz ignorieren. Ein Ballett, das von zurückhaltenden, aber niemals roboterhaften Schritten lebt. Bewegungen, die durch die Konventionen, die sie verdaut haben, vorgegeben sind. Tanzende Ameisen, zusammengesetzt aus einem Exoskelett, einer Luftröhre und Fühlern. Insekten in Aktion, gleichgültig gegenüber der Tragödie der Ereignisse, konzentriert auf die einzigen Gesten, die ihr Überleben garantieren. Ihr Tanz ist dunkel und zugleich luftig und leicht, „improvisiert“ in winzigen, kaum unterscheidbaren Zeiträumen, in denen sich das Leben im Schatten und im Rauschen der Elemente abspielt. Laut der Choreografin gibt es von den etwa sechzig Minuten, aus denen diese „Wilderen Ufer“ bestehen, nicht mehr als fünf Minuten, die nicht formbar und in eine persönliche Performance umwandelbar sind, in diesen winzigen Variationen, die die intime Freiheit der Tänzer-Insekten markieren. Was uns dann auffällt, ist die Fähigkeit der Bewegung, das Subjekt von der umgebenden musikalischen Deflagration zu isolieren, ein choreografisches Mittel, das es schafft, uns in diese Nachdenklichkeit des Überlebens einzutauchen. Nach einiger Zeit – vielleicht nach zwanzig, dreißig Minuten? – materialisiert sich schließlich eine Vibration, die die Geste umhüllt und die Nähe innerhalb der Gruppe aufnimmt. Das ganze Stück, so heißt es, ist auf der Idee des Duos aufgebaut. Unmöglich im ersten Teil, in dem alle um die Aufrechterhaltung der choreografischen Ordnung ringen, kristallisiert sie sich dann um zwei Tänzer heraus, die die Bühne allein besetzen und sich gegenseitig eine großartige Erfahrung der Berührung bieten. Eine dieser Begegnungen voller erotischer Zerebralität, die durch die Erregung, das zu verwirklichen, was wir nicht wahrnehmen konnten, schließlich verdichtet wurde. Ja, es war da, direkt unter den Gesten, und jetzt erscheint es, verstärkt; wie eine Nahaufnahme, vielleicht ein wenig obszön. Vom Imaginären der Aufführung gehen wir über zu einem Versuch, Emotionen aufzuzeichnen, zu einer Kinematographie.
Bis zur Erschöpfung
Um diesen Übergang vom Insekt zum Wirbeltier, vom Tier zum „Belebten“, d.h. zum „Getanzten“, herum, dringt nichts wirklich durch die Feldaufnahmen. Keine Klangvariationen oder „Szenenwechsel“. Die Gruppe verschwindet und kehrt dann wieder zurück, aber das ändert nichts an der Atmosphäre oder der musikalischen Temperatur. Immer wieder steht die Regel fest, und nichts scheint sie ändern zu wollen. Nach dem Duo kehrt das Sextett in voller Besetzung zurück, eine Rückkehr zum Anfang, ewig und schwungvoll, ein wenig organischer für den Moment. Im Halbdunkel weiten sich die Pupillen, die Gesten rücken näher. Die Möglichkeit der Kontaktaufnahme wird dieses Mal freudig wahrgenommen. Der Tanz löst sich im wahrsten Sinne des Wortes, er ist nicht mehr Gegenstand eines Streits zwischen Freiheit und Zwang, sondern entweicht vor unseren Augen, im reinen Jubel seiner Lust und schließlich in seiner eigenen Erschöpfung.