Das Projekt ATLAS / STUDIES besteht aus zehn kurzen Tanzstücken, die unsere zeitgenössischen Körperrepräsentationen und aktuellen Mythologien hinterfragen. Die Hauptfrage lautet: Was erzählen Körper, Tanz und Choreografie über unsere Zeit? Wie können Körper, Choreografie und Tanz in jedem Stück erneuert werden?
Diese zehn Stücke sind voneinander unabhängig, haben jedoch Gemeinsamkeiten bezüglich ihrer Form und ihrem Inhalt: Sie haben die Form einer Studie, wie wir sie in der bildenden Kunst oder in der Musik wiederfinden. Inhaltlich befassen sich die Studien mit dem Körper, mit Körperbildern und Energie.
Ziel ist dabei, eine Serie von Momentaufnahmen des Körpers darzustellen, zwischen Abstraktion und narrative Fragmente. So ergeben die Studien zusammen einen choreografischen „Atlas“ verschiedener Körperbilder und Geschichten.
Michèle Murray
KÜNSTLERISCHE LEITUNG, KONZEPT: MICHELE MURRAY
KÜNSTLERISCHE MITARBEIT: MAYA BROSCH
CHOREOGRAFIE, TANZ: ALEXANDRE BACHELARD, LEO GRAS, VIVIEN KOVARBASIC, MARIE LECA, BAPTISTE MENARD, MANUEL MOLINO, JONATHAN SANCHEZ, LEA VINETTE (FÜR DIE PREMIERE KIM CEYSENS, ELODIE FUSTER PUIG, FELIX MAURIN)
MUSIK: ANGELO BADALAMENTI, GLENN BRANCA, JOHN FAHEY, KEIJI HAINO, GEROME NOX, BERNARD PARMEGIANI, DAVID TUDOR
LICHT: CATHERINE NODEN
PARTNER
PRODUKTION: ASSOCIATION STELLA
KOPRODUKTION: FESTIVAL MONTPELLIER DANSE 2018 / ZENTRUM ZEITGENÖSSISCHER TANZ- HOCHSCHULE FÜR MUSIK UND TANZ KÖLN / ICI –CENTRE CHOREGRAPHIQUE NATIONAL MONTPELLIER OCCITANIE, DIRECTION CHRITIAN RIZZO
ARBEITSRESIDENZEN: MONTPELLIER DANSE – AGORA, CITE INTERNATIONALE DE LA DANSE, WITH THE SUPPORT OF THE FONDATION BNP PARIBAS / ZENTRUM ZEITGENÖSSISCHER TANZ- HOCHSCHULE FÜR MUSIK UND TANZ KÖLN / ESPACE BERNARD GLANDIER MONTPELLIER, COMPAGNIE DIDIER THERON / THEATRE LA CIGALIERE SERIGNAN / LA MENAGERIE DE VERRE IN THE FRAME OF STUDIOLAB
IN ZUSAMMENARBEIT MIT: LA MAISON – CENTRE DE DEVELOPPEMENT CHOREGRAPHIQUE UZES
MIT DER UNTERSTÜTZUNG VON: MINISTERE DE LA CULTURE -DIRECTION REGIONALE DES AFFAIRES CULTURELLES OCCITANIE PYRENEES MEDITERRANEE / REGION OCCITANIE PYRENEES – MEDITERRANEE / VILLE DE MONTPELLIER
UNTERSTÜTZUNG ZUR PRODUKTION: CONSEIL GENERAL DE L’HERAULT
UNTERSTÜTZUNG FÜR TOURNEEN: RESEAU EN SCENE, AU TITRE DE L’AIDE A LA MOBILITE ET DE L’INSTITUT FRANÇAIS
PRESSE ATLAS / STUDIES
Klaus DILGER, Tanzweb.org, avril 2024 :
DIESES ZITAT…
…aus dem Programmheft ist deshalb bemerkenswert, weil es, anders als in den meisten seiner Art, keine „Antragslyrik“ oder das mehr oder weniger gelungene Wunschdenken der Künstler_innen oder deren Dramaturg_innen wiedergibt, sondern erstaunlich treffend einen Gesichtspunkt dessen beschreibt, was die Besucher erwarten dürfen, wenn sie sich darauf einlassen wollen.
Hierfür gebührt an dieser Stelle dem Veranstalter dieses kleinen Bonner Tanzfestivals „INTO THE FIELDS“ Dank und Respekt, denn darin spiegelt sich auch eine verantwortliche Haltung gegenüber dem Tanzpublikum wieder, das, wie mancherorts zu beobachten, auch leicht verloren gehen kann, wenn es allzu oft Unverständnis und Enttäuschungen erfährt. Hier jedoch entsteht in schöner Regelmäßigkeit eine Art Initiation und der Versuch zu disponieren, all dies im besten Wortsinn.
Choreografie ist Raumkunst
Anders als in der bildenden Kunst, sind choreografische Skizzen keine zweidimensionalen „Blätter“, die für jeden Betrachtenden unter ähnlichen Prämissen stattfinden, sondern sie leben im Raum, ähnlich wie musikalische Skizzen, auch in den inneren Räumen und deren Resonanzfähigkeiten. Und, die Skizzen müssen von den Schöpfern an Interpret_innen weitergegeben werden und sind darin in ihrer Wirkung vollkommen abhängig von deren Können und deren Fähigkeiten, diese Skizzen stets neu lebendig werden zu lassen.
Starkes Ensemble
Hier hat sich die französisch-amerikanische Choreografin Michèle Murray, die in Montpellier lebt und arbeitet, im Lauf der Jahre und kontinuierlicher Zusammenarbeit eine ganze Reihe an Interpret_innen herangebildet, die in unterschiedlichen Konstellationen, raum- und ortsspezifisch, die ATLAS | STUDIES, von denen es bisher insgesamt zehn gibt, neu zusammenfügen. Dadurch entsteht eine immer neue Dramaturgie der jeweiligen Aufführungen. An diesem Abend, im Bonner Theater im Ballsaal, waren es fünf der zehn Skizzen, denen jeweils ein ganz eigener Impuls zu Grunde lag, eine sich stets unterscheidende Dynamik und Spannung, die weitergedacht, einem Gesamtwerk jeweils eine vollkommen unterschiedliche Richtung zu geben vermag. Interpretiert wurden diese von einem Ensemble auf zuverlässig hohem Niveau.
Dramaturgie des Abends
Die insgesamt drei Tänzerinnen und drei Tänzer erlauben der Choreografin eine Vielzahl an Konstellationen, die jedoch stets mit einem leeren, hell erleuchteten Raum beginnen und enden. Mit diesem einfachen Prinzip schafft die Künstlerin das Element des Kreises, das sie gelegentlich auch ganz direkt überträgt, wie etwa in der Studie #4, der emotional am stärksten aufgeladenen Skizze, bei der die vier Interpreten zu Beginn und zum Ende die exakt gleichen Raumpositionen einnehmen. (What goes up must come down). So besteht der Abend aus einem Quartett, zwei aufeinander folgenden Duos, einem Quartett und endet mit einem Trio, der zwar technisch vielleicht am „besten“ getanzten Studie, das aber eckig, kantig und konstruiert wirkte, vielleicht auch, weil in diesem zu sehr Merce Cunningham die Handschrift von Michèle Murray überlagerte, bei dem sie in New York studiert hatte. Vielleicht aber wollte die Choreografin das, in Study#4 aufkommende, narrative Element wieder neutralisieren, was erst im Nachklang der Betrachtung des Abends stimmig erscheint.
Jeder erlebt andere Studien im Raum
Dass jeder Besucher, abhängig von seinem Betrachtungswinkel, diese ATLAS | STUDIES anders erlebt, wird besonders deutlich durch das Auge der Kamera, wenn sie nicht gerade mittig platziert ist. Murray entwickelt in ihren STUDIEN, wenn sie in einem Theatersaal aufgeführt werden, eine starke Dynamik aus der Diagonalen heraus und der direkten „Attacke“ auf das Publikum zu.
Die jeweilige Skizze entsteht so in jedem Betrachter anders und sie entsteht durch den Betrachter im Raum.
FAZIT
Ein spannender, hochwertiger Abend zum beinahe Abschluss der 2024-Ausgabe des INTO THE FIELDS Festivals in Bonn.
Gerard Mayen / Danser Canal Historique, Juni 2018 / Montpellier Danse:
„Atlas / Studien“ von Michèle Murray: Mit einer hervorragenden Besetzung an einem idealen Ort komponiert die Choreografin einen Atlas des Wissens und der Schalkhaftigkeit, ganz in Zeichen der heutigen Zeit. Im Studio Bagouet des „Centre Chorégraphique National“ von Montpellier wird nie Gewöhnliches gezeigt. Dieser Ort des Tanzes, der seinerzeit nach dem Choreografen Bagouet benannt wurde, hat die idealen architektonischen Voraussetzungen mit einer Bühne, bei der gleichzeitig das Publikum mit einbezogen wird. Es wirkt unglaublich stabil, weitläufig und ruhig. In diesem Ort kann alles möglich werden.
Man hätte nicht von einem angemesseneren Rahmen für das Stück ATLAS / STUDIES von Michèle Murray träumen können, welches auf Einladung des Festivals Montpellier Danse (38. Auflage) entstanden ist. Am selben Tag folgen zehn Studien aufeinander, die – in zwei Serien aufgeteilt – jede mit ihrer eigenen Dauer (keine länger als zwanzig Minuten) und in einer immer wieder neuen Konstellation von einer interessanten Gruppe von insgesamt sieben Tänzern gezeigt werden. Das Ergebnis ist eine breite Palette in der Anzahl (vom Duett bis zum Ensemble) und in den Genres. Diese Vorgehensweise erinnert an einem gemischten Kartenspiel. Die kurzen Pausen zwischen den Studien sind deutlich markiert, die Bühne zwischen jeder Studie ganz leer (und dem roh-samtigen dunklen Klang der Lichter von Catherine Noden überlassen). Zu Beginn jeder Studie treten die Protagonisten hervor und nehmen einen festen Platz auf der Bühne ein, meist in einer ruhigen frontalen und zentralen Position. Ab diesem Zeitpunkt beginnen Bewegungsvariationen, die sich langsam entfalten um sich dann mit den Verfahren der Kontamination oder Proliferation zu entwickeln. Dieses Engagement ist ein Ereignis. (..)
(…) Kommen wir auf den Tanz zurück. Nach dem oben genannten Prinzip der erfinderischen Erneuerung ist dieser oft fesselnd, manchmal berauschend. Jede Studie ist eine Gelegenheit, die Karten neu zu mischen. Dabei werden Kombinatorik, interrelationale Modi, Spielarten und die Aufteilung der Energieniveaus ständig erneut überdacht. Eine Entwicklung findet statt (…)Diese Qualität, in Verbindung mit der sehr starken Präsenz der Perfomer, bringt Spannung ins Spiel. Es passiert immer etwas, wenn Spannung im Spiel ist. Es ist unmöglich, die Fülle der Motive, Situationen, Techniken, die von diesen Tänzern verkörpert und dargestellt werden, wiederzugeben. Aber aus diesen Kompositionen geht eine spielerische Intelligenz hervor, die auch die Möglichkeit bietet, die Eigenschaften von physischen und moralischen Persönlichkeiten zu genießen, die so vielfältig wie präsent sind und ins Spiel gebracht werden. Wir könnten über „choreographische Persönlichkeiten“ sprechen, die diese Spiele schmücken, nicht ohne Theatralik.
Im Gegensatz dazu behauptet die Choreografin, einen „mentalen Zustand des Performers“ gesucht zu haben, in dem das Spüren wichtiger ist als das Ausführen einer geschriebenen Choreografie. Die PerformerInnen sollen „sein“ und nicht „spielen“. Die Improvisation, wie sie in fast allen Studien praktiziert wird, erfordert dies. Auch hier wurde das Ziel spannungsvoll erreicht. Man findet hier die Essenz des gegenwärtigen Geistes einer zeitgenössischen Interpretation. Der Blick wird dabei oft gefesselt.
Lise OTT, Montpellier Tanz Juni 2018 / Wie erzählen Körper die Geschichte unserer Zeit? Wie verbinden sie sich mit der Welt? Die von Michèle Murray in Atlas / Studien gestellten Fragen sind auch Fragen des Tanzes und des Territoriums, des Gedächtnisses und der Mythologie. Die in Montpellier lebende Choreografin französisch-amerikanischer Herkunft, in Düsseldorf in Ballett und in New York bei Merce Cunningham in zeitgenössischer Technik ausgebildet, hat sich entschieden, die Ansprüche ihres abstrakten und narrativen choreografischen Komponierens mit einem Überdenken der aktuellen Tanzformen zu verbinden. Im Jahre 2012 definiert die Gründung von PLAY, eine Struktur, die offen für verschiedene künstlerische Ausdrucksformen, und die Projekte über Körper, Bewegung und Choreographie zusammenbringt, den Rahmen. Angelehnt an den „Bilderatlas“, eine Bildersammlung des Kunsthistorikers Aby Warburg, entwickelte sie das Projekt eines persönlichen choreographischen Atlas, der aus zehn kurzen Stücken besteht – die letzten drei davon speziell für Montpellier Danse choreografiert. Unabhängig voneinander, verankert im Rhythmus der vielfältigen Musik, einschließlich der Komposition von Gerome Nox, sind die jeweiligen Stückes das Ergebnis eines rigorosen und erfinderischen Improvisationsprozesses, der in der Lage ist, die Karten der Moderne neu zu mischen und sich von jedem Akademismus zu emanzipieren. Sie zeichnen den Atlas einer Choreografin, die in einem gänzlich originellen Marathon des reinen Tanzes engagiert ist. Diese Stücke, gefüllt mit Energie und Jubel, laden zum Erleben und Mitleben ein.
ATLAS / STUDY # 2
ATLAS / STUDY # 3
ATLAS / STUDY # 4
ATLAS / STUDY # 4
ATLAS / STUDY # 5
ATLAS / STUDY # 7
ATLAS / STUDY # 9
ATLAS STUDY # 10