Kreation
2022
Verzaubert von der Kraft der Energie, die in den Werken des amerikanischen Malers Cy Twombly fließt, übernimmt dieses choreografisches Projekt seinen Titel erneut von einem seiner Werke, EMPIRE OF FLORA (1961).
EMPIRE OF FLORA wird von vier Tänzern und einer DJ aufgeführt. Es erzählt vom Frühling und vom neu beginnenden Leben, von Bewegungen, die allmählich entstehen und schließlich in einer Fülle von Formen, Energien, Rhythmen und Räumen explodieren.
Unser Ziel ist es, das Publikum durch die choreografische Struktur, den Tanz und die Musik das Gefühl des Frühlings spüren und erleben zu lassen.
Die Performer werden zu Energieerzeugern, Überträgern von Lust und Vitalität, und das Gefühl des Frühlings wird in ihren Körpern spürbar und lebendig.
KÜNSTLERISCHE LEITUNG, CHOREOGRAFIE: MICHELE MURRAY
KÜNSTLERISCHE MITARBEIT: MAYA BROSCH, Marie LECA
CHOREOGRAFIE, TANZ: ALEXANDRE BACHELARD, BAPTISTE MENARD, MANUEL MOLINO, JULIEN-HENRI VU VAN DUNG
MUSIK: LOLITA MONTANA (DJ SET)
LICHT: CATHERINE NODEN
KOSTÜME: LUCIE PATAROZZI
PARTNER
PRODUKTION: PLAY / MICHÈLE MURRAY – ASSOCIATION STELLA
KOPRODUKTION: MONTPELLIER DANSE / CCN NANCY – BALLET DE LORRAINE – ACCUEIL STUDIO 2021 -22 / ARTS VIVANTS – CONSEIL DÉPARTEMENTAL DE L’HÉRAULT THÉÂTRE D’O MONTPELLIER / THÉÂTRE LA VISTA – LA CHAPELLE – VILLE DE MONTPELLIER / PÔLE DE DÉVELOPPEMENT CHORÉGRAPHIQUE MONTPELLIER MOSSON
MIT DER UNTERSTÜTZUNG VON : DRAC OCCITANIE PYRÉNÉES MÉDITERRANÉE / RÉGION OCCITANIE PYRÉNÉES MÉDITERRANÉE / VILLE DE MONTPELLIER
© Alain SCHERER
PRESSE EMPIRE OF FLORA
Michèle Murrays leuchtende Beharrlichkeit beim Tanzfestival Montpellier Danse
02. Juli 2022 | Von Gerard Mayen TOUTE LA CULTUREIntelligenz der Komposition und Intelligenz der tänzerischen Performance durchleuchten EMPIRE OF FLORA, das neue Stück der Choreographin aus Montpellier.
Jean-Paul Montanari, Leiter des Festivals Montpellier Danse, zählt zu den Bewahrern der großen Cunningham-Tradition und würdigt den gründenden Einfluss des New Yorker Meisters auf eine große Nachfahrengruppe des westlichen zeitgenössischen gelehrten Tanzes. Man kann sich vorstellen, dass dies in seiner Verbundenheit mit der Arbeit von Michèle Murray eine Rolle spielt. Die erfahrene Choreographin ist gebürtige Französin und Amerikanerin und hat ihre Ausbildung unter anderem bei Merce Cunningham absolviert.Heute entwickelt sie von Montpellier aus (einer Stadt, die nicht weniger als zwanzig bedeutende Kompanien zählt) eine Arbeit, die allen Modeerscheinungen gegenüber herrlich gleichgültig ist.
EMPIRE OF FLORA ist ihr neuestes Werk, das sie für die 42. Ausgabe des Festivals Montpellier Danse geschaffen hat. Auf der Bühne steht eine Frau am Musikdeck und vier Männer auf der Bühne. Wir stimmen Michèle Murrays Kommentar dazu voll vollkommen zu: „Diese Aufteilung wurde nicht bewusst als solche gedacht (nach Gender- oder anderen Thematiken); auch wenn diese Lösung im Nachhinein glücklich erscheinen mag“.
Dieses Zitat scheint uns auf subtile Weise mit einer Gesamtlogik dieser Arbeit zusammenzuhängen: EMPIRE OF FLORA scheint wunderbar bemeistert, auf dem Höhepunkt einer intelligenten Komposition. Aber genauso gut ergibt sich daraus eine einfach strahlende und unbeschwerte Textur.
Die Komposition, von der wir gerade sprechen, verwebt zwei Prinzipien, die man für gegensätzlich halten könnte: einerseits die Festlegung von sehr genauen Regeln in einem vordefinierten choreografischen Feld, andererseits den Spielraum für ständige Instant Composition überlassen.
Wenn wir auf Merce Cunningham zurückkommen, erinnern wir uns an seine Aussage, dass er es vorzieht, auf der Bühne Vorrichtungen zu entfalten, die es der Schönheit der Welt ermöglichen, sich zu offenbaren, und nicht versucht, auf der Bühne Formen aufzuzwingen, die die Schönheit darstellen sollen.
Das ist es, was man in EMPIRE OF FLORA spürt, und das liegt an der feinfühligen Intelligenz der tänzerischen Interpretation (und damit auch an der tänzerischen Leitung), die dieser Choreografin eigen ist. Sie betont gerne das große Vertrauen, das die künstlerisch sehr reife Beziehung zwischen den vier jungen Männern und ihr selbst kennzeichnet.
An diese Tänzer richtet sich eine hohe Anforderung an technische Ausführungsqualität, während ihnen gleichzeitig eine große Verantwortung bei den choreografischen Entscheidungen der Instant Composition zukommt. Sie müssen sich sehr geduldig in die Textur des Stücks hineinbegeben und immer wieder lange Pausen einhalten. Sie kreieren und führen das Stück, aber sie lassen es auch leben. Es gibt keine spektakuläre Überbetonung, die so viele andere Tanzstücke überladet und damit die Beziehung zu den Zuschauern, die einer vorhersehbaren Emotion unterworfen sind, in die Enge treibt.
Die großzügigen und energievollen Bewegungsabläufe werden dennoch mit einer großen Leichtigkeit der Schwerkraftverwaltung entfaltet. Die Gesten haben Zeit, für sich selbst zu sein. Der Großteil der Partituren wird individuell getanzt – abgesehen von einigen Ansätzen in Duetten sowie Hebefiguren – in einem aufrechten Tanz, sowie in einem kollektiven, irgendwie kosmischen Bewegungsfluss. Dieser Tanz ist klar zu verstehen, ohne geschwätzig zu sein … Das Wesentliche liegt in der aktiven Ko-Präsenz von Personen, die einfach nur die Feinheit einer Tanzsprache entwickeln. Weiteres zu erklären ist nicht notwendig.
Die Beziehung zur Musik hat viel damit zu tun. DJ Lolita Montana, die aus der brodelnden Technoszene der Region stammt, legt ein wunderbar schwereloses Set auf, das frei von jeglichen Klischees ist, auch wenn die engagierten Sounds naturgemäß zu einer strahlenden Energie inspirieren. Die vier Tänzer nach dem guten Cunningham-Prinzip nicht die Aufgabe, die Musik nachzuahmen. Sie gehen zwar auch den Weg einer allmählichen, asymptotischen Erhöhung, aber diese ist in erster Linie eine breite, durchscheinende und respektvolle Atmung.Bei EMPIRE OF FLORA hatten ich das Gefühl, dass diese Ästhetik etwas von der Zeit, ja sogar von der Welt abgeschnitten lebt, wie in einem Garten der Eleganz gepflegt. Aber in einer Tanzlandschaft, die so sehr damit beschäftigt zu sein scheint, sich selbst zu suchen, ohne sich zu finden, erschien uns diese Form der Distanz am Ende doch unendlich treffend, beharrlich und kaum ersetzbar.
Jean Paul GUARINO – Revue OFFSHORE
Neben WILDER SHORES, ihrem bereits erfolgreichen Stück aus dem Jahr 2020, beweist Michèle Murray mit ihrer jüngsten Kreation EMPIRE OF FLORA ihre nach wie vor starke Verbundenheit mit der choreografischen Kunstform und eine respektvolle Emanzipation von ihrer Geschichte.
Die DJ betritt die Bühne und legt hinter ihren Plattenspielern gleich zu Beginn einen Rhythmus aus anhaltenden Elektroschleifen vor, als wolle sie Tänzer und Zuschauer in Stimmung bringen und so etwas wie einen Spannungsbogen aufbauen. Aber was werden die Tänzer bloss zu einer solchen Musik machen, die nichts braucht, um bereits eine unwiderstehliche Energie zu übertragen?
Zwei Stücke später erscheint ein Tänzer, dann ein zweiter, dann ein dritter und vierter, lässig, als wollten sie dem musikalischen Rhythmus widersprechen, als wollten sie ihn zähmen, beherrschen, sich ihm zumindest nicht unterwerfen. In einer Stimmung des Warm-ups erweist sich der Kontrast zwischen der schwingenden Energie der Turntables und der verhaltenen Energie der Tänzer als sinnlich. Wir befinden uns nicht auf einem Dancefloor, der Wunsch, sich zu entfesseln, alles loszulassen und sich auf ein gemeinsames Ziel zuzubewegen, muss warten. Sie werden sich sparsam geben, mit gemessener Kraft, in einem tänzerischen Oxymoron.
Regeln, die man vermutet, werden eingehalten, schnell vergessen oder sogar übertreten, das Verlangen gehorcht nichts, jeder Tänzer hat seine eigene ungezügelte Linie, sein eigenes barockes Vokabular, seine eigene Geschichte. Es entstehen auch Ansätze von Duos, genauer gesagt von Paaren, da die Begegnungen perfekt sind und weder etwas Vereinbartes noch etwas Zweideutiges beinhalten, alles ist nur für den Tanz geschaffen. Michèle Murray liebt den vielfältigen Tanz, und dieser ist liebevoll choreografiert. Es gibt auch Pausen, um jede Narration zu vermeiden und bei ihrem Thema, dem Tanz, zu bleiben. Bis zum Ende hält die Körperbeherrschung, die einer Komposition unterworfen ist, die keine Syntax zu haben scheint, aber ihre eigene Logik besitzt, dem Überschwang und der vitalen Lyrik des musikalischen Strudels stand, um ihre eigene Kraft besser durchzusetzen, bis zum Gegenlicht, bis zur einbrechenden Nacht.
RES MUSICA MAGAZINE / Festival Montpellier Danse : Thema “clubbing or not clubbing”
2. Juli 2022 von Delphine Goater
Zwei Säle, zwei Stimmungen, Reminiszenzen an Clubbing und Party, beim Montpellier Danse Festival, mit 2019, Ohad Naharins Kreation für die Batsheva Dance Company, und EMPIRE OF FLORA von Michele Murray. Michele Murray bringt das Maskuline in den Club.Für EMPIRE OF FLORA, ihre neue Kreation beim Festival Montpellier Danse, hat die französisch-amerikanische Choreographin Michèle Murray, die seit mehreren Jahren in Montpellier lebt, auf der Bühne des Theaters La Vignette ein Männerquartett mit einem DJ-Set der jungen Lolita Montana konfrontiert. Jeder bewegte sich in seinem eigenen Universum, und die Begegnungen zwischen Tanz und Musik ergaben sich beiläufig, durch einige Unisonos oder bei einer plötzlichen Beschleunigung.
Vier sehr gute Tänzer, vier verschiedene Männlichkeiten auf der leeren Bühne. Mit großer Aufmerksamkeit für jede Geste, Bewegungsqualität und feliner Energie messen sich die vier Tänzer, treten gegeneinander an und vergleichen sich, wie bei einer Modenschau. Neben ihnen mixt die DJane ein Set, dessen Intensität zunächst ansteigt und dann wieder abnimmt. Es liegt eine gewisse Eitelkeit in dieser faszinierenden Parade der männlichen Äußerlichkeiten, von der Pose bis zur Haltung. Doch Michèle Murray gerät nicht in diese Falle, sondern hält die Lupe in unerschütterlicher Objektivität auf die einzige Bewegung gerichtet.
MARIE REVERDY – SPINTICA – Juli 2022
Nach WILDER SHORES, das bei der 41. Ausgabe des Festivals Montpeller Danse gezeigt wurde, setzt Michèle Murray ihre Arbeit ausgehend von den Gemälden des Malers Cy Twombly fort. In „Empire of Flora“ (1961) ist die Farbe Rosa vorherrschend. Man spürt auf der Bildfläche die Spuren der feurigen und warmen Geste des Malens. „Empire of Flora“ ist auch der Titel eines Gemäldes von Nicolas Poussin (1631), das sich auf eine Allegorie des Frühlings und der Fruchtbarkeit bezieht, die in der griechisch-römischen Mythologie verwendet wird.
Cy Twombly und der wuchernde Frühling
Alles beginnt mit der rosa beleuchteten Bühne und der Live-Musik von DJ Lolita Montana, deren Decks rechts auf die leere Bühne gerichtet sind. Der erste Tänzer kommt herein. Er arbeitet vor allem an der Bewegung seiner Arme, eine offene, weite Bewegung; auch erkennt man an den Füssen eine 5. Position, die einige Male auftaucht, wie ein augenzwinkernder Verweis auf die klassische Balletausbildung, die Michèle Murray in Düsseldorf absolviert hat. Der Tänzer bewegt sich auf der horizontalen Achse, dreht seinen Oberkörper, als wolle er die Gesamtheit des Hier und Jetzt umfassen, und wird von den anderen Tänzern, die nacheinander auftreten, begleitet.
Eine Tanzfläche, auf der es verboten ist, sich zu berühren, eine Tanzfläche, auf der jeder den Bewegung sablauf erkundet, eine Geste wiederholt, eine choreografische Phrase skizziert, bevor er einen Diskurs entfaltet. Eine Tanzfläche auf der man Solo alleine für sich tanzt, bevor einige Blicke ausgetauscht werden (ohne diesen Austausch zu spielen), bevor einige Unisonos entstehen (ohne dass wir den Eindruck eines Rendezvous haben) und schließlich bevor einige Duetts entstehen (ohne dass diese als Apotheose des Frühlings dargestellt werden). Das Stück wimmelt von choreografischen Details, die in die Körper und in den Raum eingeschrieben sind. Blitzartige Referenzen scheinen aus der Lebendigkeit der Körper hervorzugehen. Alles scheint ebenso millimetergenau wie zufällig zu sein, ganz im Sinne von Jacques Monods Definition des Lebens, das zwischen „Zufall und Notwendigkeit“ entsteht. Dieses Stück hat etwas Jubelhaftes, etwas Unbeschwertes an sich. Der Frühling hat nicht die Gestalt einer Landschaft, er hat keinen Geruch, er hat kein Gesicht, er ist ein widersprüchlicher Zustand, irgendwo zwischen Macht und Anmut angesiedelt.